Paul Di’ Anno war unzweifelhaft ein wichtiges Rädchen im Iron Maiden-Getriebe, sang er doch die ersten beiden Scheiben ein, bevor er durch den deutlich charismatischeren und technisch brillanten Bruce Dickinson ersetzt wurde. Der Rest ist Geschichte. Pauls Geschichte seitdem ist schnell erzählt: Nach einigen Versuchen, auf eigenen musikalischen Beinen zu stehen, hat er sich mehr und mehr auf die Vergangenheit gestürzt und seit Jahrzehnten vornehmlich die alten Maiden-Klassiker aufgeführt und immer und immer wieder aufgenommen. Live hat der Gute immer noch eine solide Fanbasis, wobei seine gesanglichen Leistungen zwischen katastrophal und recht ordentlich rangierten. Nun kommt etwas überraschend ein echtes Lebenszeichen von Di’ Anno, eines, das beweist, wie relevant er noch sein kann, wenn er denn die richtigen Leute um sich schart und die Maiden-Schiene verlässt.
Architects of Chaoz heißt die neue Di’ Anno-Band und das sind eigentlich die “Phantomz”, seine Live-Backingband für die ganzen Maiden-Shows. Da aber konzeptionell endlich etwas Neues gemacht wird, ist die Umbennung durchaus vernünftig. Wie klingt “The League of Shadows” denn nun? Paul singt sich souverän durch einen ganzen Haufen (von der Band komponierter) erstklassiker Songs, die stilistisch natürlich die Wurzeln des Frontmanns nicht verleugnen. Eine Prise Iron Maiden, ein Schuss Judas Priest, manchmal etwas Helloween, eine Spur Doublebass-Attacke im Powermetal-Stil, schon haben die Chaos-Architekten eine großartige -Metal-Wumme rausgehauen.
Dabei klingen sie authentisch, aber natürlich etwas moderner. Die eigentliche Überraschung ist der sehr gute und ziemlich variable Gesang des NWOBHM-Urgesteins. In den harten Songs wie “Hosemen” erinnert er manchmal an Rage-Mastermind Peavy Wagner, während in den ruhigen Passagen von “Switched off” beispielsweise ebenfalls auf ganzer Linie überzeugt.
So gut habe ich ihn seit Jahren nicht singen hören, hoffen wir einmal, dass er das live auch so hinbekommt. Der Track “Architects of Chaoz” kommt mit orientalischen Skalen daher und hat sogar ein leichtes Bruce Dickinson-Solo-Feeling in den Gesangslinien. Immer wieder beweist Di’ Anno mit seiner Band, dass auch Einflüsse nach 1985 zum Sound der Architects of Chaoz gehören (etwa beim Nevermore-artigen Refrain von “When murder comes to town”) und der Sänger immer noch hin und wieder das Gespür für ganz große Refrains (“Rejected”) hat. Lediglich das leicht einfallslose Deep Purple-Cover von “Soldier of Fortune” hätte Paule sich sparen können. Das singt Coverdale nun wirklich runde vier Klassen besser.
Fazit: Di’ Anno überzeugt auf ganzer Linie – starkes Debüt
Master Chief, Junge für alles, Fotograbenkämpfer und Textakrobat. Herausgeber und Erfinder.