“Sex & Religion” von Steve Vai (1993) ist ein Album, das Vais außergewöhnliche Gitarrenvirtuosität mit einer mutigen konzeptionellen Herangehensweise vereint und mit einem Wahnsinns-Line-up aufwartet. Und irgendwie ist das auch eine Geburtshilfe des Metalcore.
Von Anfang an ist klar, dass “Sex & Religion” kein gewöhnliches Gitarrenalbum ist. Devin Townsend, Bassmonster T.M. Stevens und Zappa-Drummer Terry Bozzio – was ist das denn für eine aberwitzig geile Band?
Los geht es mit dem kraftvollen und intensiven “An Earth Dweller’s Return”, das einen dramatischen, orchestralen Einstieg bietet, bevor Vais charakteristisches, technisch brillantes Gitarrenspiel einsetzt.
Das zweite Stück, “Here & Now”, zeigt die Vielfalt von Vais musikalischen Einflüssen. Mit seiner Mischung aus Rock, Metal und komplexen Rhythmen ist es ein energetischer Track, der durch Devin Townsends kraftvollen Gesang verstärkt wird. Townsend bringt eine rohe und emotionale Intensität ein, die den Songs eine zusätzliche Tiefe verleiht.
Technische Raffinesse
“Sex & Religion” strotzt vor technischer Raffinesse und kreativen Ideen. Stücke wie “In My Dreams With You” und “Still My Bleeding Heart” kombinieren eingängige Melodien mit komplexen Gitarrenriffs und emotionalem Gesang. Diese Songs zeigen Vais Fähigkeit, zugängliche Rockmusik mit anspruchsvollen musikalischen Strukturen zu verbinden.
Besonders hervorzuheben ist “Touching Tongues”, ein Stück, das Vais lyrisches Gitarrenspiel und seine Fähigkeit, Gefühle ohne Worte zu vermitteln, in den Vordergrund stellt. Die sanften, fließenden Gitarrenlinien und die atmosphärische Produktion machen diesen Song zu einem Highlight des Albums.
“State of Grace” hat eher meditativen Charakter und bietet einen Kontrast zu den härteren, rockigeren Tracks.
Das titelgebende Stück “Sex & Religion” ist ein kraftvoller, provokativer Song, der sowohl musikalisch als auch lyrisch herausfordernd ist. Mit seinen komplexen Rhythmen und intensiven Gitarrenparts ist es ein eindrucksvolles Beispiel für Vais visionären Ansatz und seine Bereitschaft, musikalische Grenzen zu überschreiten. Und wo ist der Metalcore? In Ansätzen wird er hier erfunden, zumindest für den Massenmarkt. Devin singt, grunzt und rotzt sich durch knallharte Songs wie “Dirty black hole”, “Pig”, dem Bonustracks “Just Cartilage” und vor allem “Down deep into the pain”. Zum Abschluss singt der Gitarrenmeister dann selbst und zaubert mit “Rescue me or bury me” ein absolutes Meisterwerk in die Rille.
“Sex & Religion” ist ein Album, das sowohl wegen seiner technischen Brillanz als auch seiner künstlerischen Ambition beeindruckt. Steve Vai zeigt hier nicht nur seine Fähigkeiten als Gitarrist, sondern auch als Komponist und Visionär. Es ist ein vielschichtiges Werk, das bei jedem Hören neue Facetten offenbart und sowohl Fans von virtuosem Gitarrenspiel als auch Liebhaber von innovativer Rockmusik begeistern wird.
Master Chief, Junge für alles, Fotograbenkämpfer und Textakrobat. Herausgeber und Erfinder.